Tutukaka, oder: small big stories


Da bin ich wieder, im Tutukakaland. Nachdem ich die beiden Küsten des Nordens erkundet habe, Inselgruppen bestaunen konnte, den nördlichsten Punkt Neuseelands zu Fuß begangen habe und die riesigen Kaori-Bäume betrachten durfte, habe ich mich entschieden, mich langsam wieder meinen Freunden anzuschließen. Karin und Lisa, die beiden freundlichen Mädels, die mich in Cape Reinga aufgesammelt haben, waren so freundlich, mich in Dargaville auszusetzen, um von dort meinen eigenen Weg zu beschreiten. Das erste Mal allein unterwegs (es sollte nicht für lange sein) machte ich mich auf den Weg, um von der Westküste wieder zurück zur Ostküste zu kommen. Für 10 Dollar gibt es einen günstigen Shuttlebus, der einen aus dem müden Kaff Dargaville herausführt und wieder nach Whangarei bringt. Nach einer Nacht in Dargaville mit Karkalaken und sehr deprimierten Menschen war ich froh, einen vertrauten Ort wiederzutreffen und ich beschloss, einen Tag auf dem Zeltplatz bei den Whangarei-Wasserfällen zu verbringen, wo ich bereits mit den anderen Rast gemacht hatte, um mir etwas zu kochen und mich zu erholen. In Whangarei wurde ich dann auch sofort von einer netten Dame aufgesammelt, noch bevor ich meinen Finger heben konnte saß ich schon in einem Auto auf dem Weg zum Hostel und musste die traurige Geschichte über eine besorgte Mutter und ihrem Kind hören, welches soviele Allergien hat, das es kaum etwas essen durfte und aus diesem Grund lange nicht zur Schule gehen konnte und somit keine Freunde finden konnte. Total gerührt erzählte mir die Mutter davon, dass die Tochter nun an dem kommenden Wochenende zu ihrer ersten eigenen Geburtstagsfeier gehen wird, weil eine Bekannte der Mutter eingewilligt hat, extra für sie zu kochen, so das sie sich nicht sorgen muss. Sofort wird einem bewusst, wie groß manchmal kleine Gesten sind und mir schossen viele Gedanken durch den Kopf über das kommende Weihnachtsfest. Dies wird das erste Mal sein, das ich nicht mit der (mittlerweile sehr kleinen) Familie verbringen werde und das macht mich ganz schön traurig, auch wenn sich unsere Traditionen eher in Grenzen halten und Weihnachten nicht mehr das selbe ist, seitdem meine Mutter vor drei Jahren gestorben ist. Aber ich vermisse es, mit meinem Papa zu kochen oder gemeinsam spazieren zu gehen, ein Grund mehr, warum ich mich so sehr für die Mutter gefreut habe, die diese kleine Geste so zelebrierte.






Nachdem ich nun am Campingplatz angekommen bin, baute ich mein Zelt auf einem sehr einsamen Campingplatz auf. Von einem einzigen Zelt einmal abgesehen war alles komplett leer, vor dem Zelt stand lediglich ein Fahrrad und viele Taschen. Diese sahen genauso aus wie die von Fabian und ich dachte, er ist auch wieder da, doch wie sich herausstellen sollte, war es ein sehr netter Kanadier aus Quebec namens Julien, welcher wie Fabian (und ursprünglich ich selbst) plant, gesamt Neuseeland zu erkunden. Wir kamen während des Abendbrots schnell ins Gespräch und ich half ihm, sein Rad wieder zusammenzusetzen. Wir tauschten viele Geschichten und kulturelle Erfahrungen aus und mussten feststellen, dass wir einen ähnlichen Humor hatten. Ich merkte sofort, das er sehr froh war, nach den letzten 2 Wochen endlich jemanden kennenzulernen um wieder ein wenig zu quatschen, und da es derzeit immer noch regnete, war es schön, gemeinsam in der Lounge rumzusitzen und zu erzählen. Nach und nach füllte sich das Hostel mit noch mehr Menschen, doch sie alle schienen beschäftigt mit sich selbst und waren kaum offen zu einander. Da für den nächsten Tag keine Besserung in Aussicht war, beschlossen Julien und ich, einfach gemeinsam Whangarei zu erkunden und in die Stadt zu gehen, wo er seine Fahrradkette reparieren konnte und ich ein paar Sachen für unterwegs kaufen konnte. Gesagt getan, gemeinsam machten wir uns auf einen 8 Stundenmarsch (!!) rund um Whangarei, mit einem kleinen Umweg über einen tollen Mangrovenwald und einem tollen Aussichtspunkt über ganz Whangarei. In der Stadt angekommen stolperte ich sofort über einen Outdoorladen mit einem guten Rabatt, ENDLICH die Gelegenheit, mir richtige Wanderschuhe zuzulegen. Für ca 130 Euro habe ich jetzt sehr robuste und zudem schicke Schuhe, die ich von dort an gleich einlaufen konnte. Auch wenn ich feststellen musste, dass sich meine Socken langsam auflösen und es etwas peinlich war, bei einer Schuhverkäuferin die ehemals weißen, nun zerschlissenen Socken vorzuführen. Glücklich durchstreiften wir nun also Whangarei mit neuen Schuhen, ich fühlte mich wie neugeboren.






Julien und ich mussten zudem feststellen, dass wir eine ganz ähnliche Erfahrung mit unseren Beziehungen hatten, etwas, das uns trotz der großen kulturellen Unterschiede sehr verbindet, haben wir beide doch noch sehr enge und bedeutende Beziehungen zu unseren ehemaligen Freundinnen, etwas, dem man sehr selten begegnet. Es war schön, gemeinsam für uns bedeutungsvolle Gedanken auszutauschen und zu sehen, das man doch nicht so selten und seltsam ist, wie es manchmal anmuten mag. Ich hatte das Gefühl, als würden Julien und ich schon lange Freunde sein und ich bewunderte ihn für seine Erfahrungen mit seinen gerade mal 22 Jahren. Ein Geologe, der im Sommer in fernen Expeditionszelten lebt und dort geologische Untersuchungen macht und im Winter studiert oder wenn er Freizeit findet ganz Kanada mit dem Rad durchquert, beachtlich. Wir haben letztendlich den gesamten Tag gemeinsam verbracht und ich war ein bisschen traurig, ihn am darauffolgenden Tag verabschieden zu müssen, nicht aber ohne vorher noch Facebookkontakte auszutauschen um in Kontakt zu bleiben.






Aber auch ich musste weiter, denn ich hatte, wie so manch anderer hier, eine Mission. Ich will nämlich in Tutukaka tauchen gehen! Zum ersten Mal in meinem Leben. Man braucht dazu keinen Tauchkurs, man bekommt einen erfahrenen Taucher zur Seite gestellt und erkundet einen der nach Jacques Cousteau zufolge zehn schönsten Tauchplätze der Welt. Das waren mir rund 200 Euro wert, denn es geht von ca. 8 bis 21 Uhr den ganzen Tag raus aufs Meer, mit essen, trinken und Tauchexperte, also allem drum und dran. Da ich gerade Jules Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer lese, bin ich ganz beflügelt von der Vorstellung, die Unterwasserwelt zu erkunden. Ai, wie ich mich freue.


Tutukaka ist von Whanagerei auch nur noch ca 30 km entfernt, weshalb ich beschloss, das erste Mal offiziell zu trampen. Nach ungefähr sechs Autos die einfach vorbeigefahren sind, hielt dann das Siebte auch schon prompt an, nach nicht mal 5 Minuten saß ich somit im Auto eines alten Pärchens, das Deutschland bereits 3 Mal bereist hatte und deren Sohn derzeit in Frankreich herumstromert. Sie nehmen ständig Anhalter mit und freuen sich, neue Geschichten zu hören und ich hatte einen der angenehmsten Trips seit Ewigkeiten. Wir erzählten über Weihnachten, meine Gedanken über die Abwesenheit meiner Familie und wie wichtig es ist, in Kontakt zu bleiben. Da sie sich gut in Tutukaka auskannten, setzten sie mich dann auch direkt vor dem Tauchladen aus, so das ich dort nichts weiter machen musste als zu sagen, dass ich gerne irgendwann tauchen möchte. Sofort wurde ich Willkommen geheißen und über alle wichtigen Grundlagen informiert. Da ich noch nie tauchen war und ich nicht weiß, ob ich irgendwelche Krankheiten habe, die man beachten sollte um Folgeschäden zu vermeiden, wurde mir schon etwas mulmig. Aber verdammt, so eine Chance lässt man sich nicht entgehen und ich bin bestens vorbereitet und laut dem Arzt ja sowieso top fit. Gesagt getan, Geld ausgegeben und nun sitz ich hier und freue mich auf morgen früh 8 Uhr, mein Zelt steht auf einem riesigen, noch leeren Campingplatz und ich denke zurück an die vielen lieben Menschen, die ich in den genau vier Wochen, seitdem ich nun hier bin, kennengelernt habe. Ich bin einer der glücklichsten Menschen der Welt. Und ich staune über mich selbst: vor noch 4-5 Monaten hätte ich lange überlegt, um so etwas zu machen, nun endlich beginne ich, mein Leben einfach zu leben.






So then, see u im Wasser, bitches!

Kommentare

Beliebte Posts