Ganz anders als erwartet

21.11.2012






Was für ein Wochenende. Es lief alles ganz anders als geplant, aber gerade das macht das Ganze umso intensiver. Wo soll ich anfangen?


Nachdem ich beschlossen hatte, allein loszugehen, waren die anderen Mitreisenden, darunter auch Fabian, der ursprünglich Neuseeland nur mit dem Fahrrad erkunden wollte, davon angefixt, ebenfalls einen kleinen Wander-Trip zu unternehmen. Unser DOC-Campingplatz war ca 4-5 km entfernt von Cape Reinga und bot einen exzellenten Pfad zu dem Ort, den wir bereits tags zuvor bei schlechtem Wetter erkundet hatten. Da an diesem Tag aber gutes Wetter vorhergesagt war, lag es nahe, Reinga einen neuen Besuch abzustatten. Also standen wir bereits früh um 5 Uhr auf, um noch vor dem Sonnenaufgang den Campingplatz zu verlassen und die wunderschöne Gegend im Morgenlicht bestaunen zu können. Nachdem wir uns wagemutig einige steile Wege nach oben gekämpft hatten, wurden wir auch schon mit einem atemberaubenden Sonnenaufgang belohnt, der die fantastische Bucht unseres Zeltplatzes sowie die darauffolgende Bay erleuchten sollte. Unfassbar, wie schön das Ende der Welt sein kann. Riesige Wellen, die sich im Morgenlicht spiegeln, seltene Muscheln am Strand, ungewöhnliche Vogellaute und taubenetzte Spinnenweben haben unsere Wanderung mit tollen Eindrücken versehen, über die wir immer wieder staunen mussten. Nach ca zweieinhalb Stunden haben wir dann endlich unser Ziel erreicht und waren beinahe die Ersten, die sich am Morgennebel umhüllten Cape Reinga erfreut haben.


Nach unserem Rückweg war es dann soweit, mein erster Sologang sollte seinen Lauf nehmen. Nachdem ich kurz ins Wasser gehüpft bin und feststellen musste, dass die Duschen nicht mehr gehen und ich das Meerwasser nicht abwaschen konnte, war mir schon etwas seltsam zu Mute, aber ich war gut ausgestattet mit viel Essen und Trinken, also nichts, was einem 90 km Marsch im Wege stehen sollte. Ich wurde auf dem Parkplatz von Cape Reinga abgesetzt und begann den Abstieg entlang der Klippen hin zu einem unendlich langen Strand, der mich für fast 2 Stunden begleiten sollte. Am Ende sah mich eine riesige Sanddüne an, die meinen Mut ein wenig erweicht hatte, jedoch war dies ja ein ausgewiesener Wanderweg, der einfach zu schaffen sein sollte für eine Person. Angekommen an der Düne stellte ich jedoch fest, dass es keine Beschilderung gab, die mir in etwa einen Weg hätte weisen können. Meine Karte hatte ausgerechnet an dem Punkt, an dem ich mich befand, ein großes Hinweisschild für einen Angelspot hingestempelt, so, dass ich mir nicht sicher war, wolang ich nun gehen sollte. Ich beschloss, mich auf die Düne zu begeben und von dort aus einen Weg zu suchen, denn so weit konnte das Meer auf der anderen Seite nicht mehr sein, an dem ich dann entlangwandern wollte. Nach einem mühsamen Aufstieg neben ein paar alten Fussspuren (die ersten, die ich seit ca. 2 Stunden gesehen hatte, denn derOrt war menschenseelenallein) musste ich feststellen, das vor mir nichts lag außer unbegehbarem Wald und Sand. Das Meer war noch viele Kilometer weit we.g. Wie ein Schlag ins Gesicht wurde mir klar, dass das Vorhaben einfach zum Scheitern verurteilt war. An einem Sonntag Abend im Frühling, nach bereits über 12 km Wanderung eine solche Strecke zu beginnen ist keine gute Idee: kein Empfang, keine Zivilisation, keine Straße und keine Menschenseele. Ich traf die für mich die beste Entscheidung in dieser idiotischen Situation: ich drehte um. Mir schoss das Bild der beiden Mädels, die wir tags zuvor auf dem anderen Campingplatz getroffen hatten und die uns indirekt gefolgt sind wieder ein und in mir begann die Hoffnung zu wachsen, mich einfach den Beiden auf ihrem Heimweg anzuschließen. Nun war es aber schon weit nach 18 Uhr und die Sonne sank langsam dem Untergang entgegen, zudem war mein Rucksack übermächtig schwer und die mittlerweile gut 18 km und mind. 16 kg Gepäck zehrten an meinen Kräften. Ich begann den Dünenabstieg und wanderte den gesamten Weg über den Strand, über die steilen Klippen auf zu Cape Reinga zurück und musste feststellen, dass der Parkplatz bereits komplett verlassen war und mich niemand mehr mitnehmen konnte. So wanderte ich den gesamten Weg zum Zeltplatz, gut 4 km, ebenfalls zu Fuss, um kurz vor Sonnenuntergang endlich anzukommen. Ungläubig sahen mich die Mädels an, hatten sie mich doch vor ein paar Stunden erst verabschiedet. Nachdem ich ihnen meine Geschichte erzählt hatte und ich in Schmerzen und Lachen erst einmal tief durchatmete, musste ich dann auch feststellen, dass ich keine passende Gaskatusche für meinen Kocher hatte. WAS FÜR EIN GLÜCK! Denn all das Essen, das ich mitgenommen hatte, bestand aus Dosennahrung und (wie ich später feststellen musste) verschimmeltem Brot. Damit hätte ich so einige Probleme auf meiner Reise bekommen. Es mag jetzt klingen, als sei ich Naiv an die Sache herangegangen und das wird wohl auch richtig sein, aber für mich bleibt die Erkenntnis, das jeder einmal klein anfängt und ich weiß nun, wie ich so eine Sache das nächste Mal angehen würde. Für den Moment jedoch war ich erst einmal froh, mich hier niederlassen zu können und mich etwas geborgen fühlen zu können und eine meiner Dosenspeisen zu erhitzen.


Nach dem sich uns noch zwei Israelis hinzugesellt hatten und wir ein tolles Gespräch führten, ging es dann tags drauf etwas erholt mit dem Auto nach Süden, wo wir an weiteren riesigen Sanddünen vorbeigekommen sind, die ich auch aus der Ferne betrachten konnte. An einem der Dünen war es möglich, Boards auszuleihen um im Sand herunterrutschen zu können. Karin, eine meiner vorübergehenden Begleiterinnen, ist ganz versessen auf surfen und alles, was damit zu tun hat, also fuhren wir dort vorbei und starteten ein kleines Abenteuer. Aus gut 50 Metern höhe eine Sanddüne runterzurutschen kostet schon etwas Überwindung, macht aber unglaublich viel Spaß. Nach gut 2 Stunden war ich aber so richtig KO, waren meine Beine doch noch geschunden von den Tagen zuvor.






Also ging es weiter, die beiden Mädels wollten gerne Ahipara ansteuern, einem verträumten Nest im Norden, in der es eigtl. nichts weiter als eine Lodge gibt, die günstig Surfbretter verleiht. Die Lodge selbst (Endless Summer Lodge) ist ein kleines Paradies. Traumhafte viktorianische Möbel und Bilder, eine riesige Küche und lebhafte Besucher waren genau das, was ich nach so einem Wochenende erst einmal brauchte. Zudem hieß es,dass tags drauf die Sonne herauskommen wollte und Karin überzeugte mich, gemeinsam surfen zu gehen und es mir beizubringen. Ich war noch etwas skeptisch aufgrund meiner geschundenen Beine, aber ich hatte große Lust, es einmal zu probieren, also willigte ich ein und genoß die Zeit mit den vielen lieben neuen Menschen, die man im Handumdrehen kennenlernen konnte.


Tags drauf wars dann soweit, Karin und ich schlüpften am Nachmittag während der High Tide, also der Flut, in die vorhandenen Wetsuites (häähm, ich hatte meinen zuerst einmal verkehrt herum an) und nach einer kurzen Einführung sprangen wir in die leider etwas mickrigen Wellen. Umgeben von den restlichen Hostelmitgliedern begann ich, langsam aufzutauen, schließlich musste man sich hier nicht blamieren, da viele hier das erste Mal gesurft sind. Nach ca 10 Minuten kam dann auch die erste Welle und während ich gerade erst rausgefunden hatte, wie ich in Ruhe auf so einem großen Board sitzen kann, begann Karin bereits mit dem ride. Dieser stellte sich jedoch als sehr kurz heraus, da ihr das Brett direkt an den Kopf geschossen ist und eine gut 4 cm lange Platzwunde hinterlassen hat. Blut überall und ich war völlig überrumpelt. ich paddelte zu ihr rüber und wir begannen, aus dem Wasser zu schwimmen, der Anblick war fürchterlich. Nachdem ich sie zurück zum Hostel begleitet hatte, kam der Besitzer und schlug vor, diese mit Sekundenkleber zuzukleben. Ungläubig schaute ich zu, wie er diesen Eingriff vornimmt. Ich bin von mir selbst überrascht, dass ich mich nicht in der nächsten Ecke übergeben hatte, aber es scheint funktioniert zu haben. Ich finde Karins Tapferkeit jedenfalls mehr als beeindruckend, sie hat das alles ohne Zwicken hingenommen, ich selbst hätte bestimmt geschrieen oder unentwegt gequatscht. Nachdem die Sache abgeschlossen war, hatten wir jedenfalls was zu erzählen und das ganze Hostel hat über nix anderes mehr gesprochen, bis zum Abendbrot, als wir Stefan und Bruno kennengelernt hatten. Beide kamen unabhängig voneinander, beide waren dem Yoga und der Meditation verschrieben und beide hatten interessante Geschichten zu erzählen. Der Bruno hat tatsächlich genau den Track begangen, den ich angefangen hatte, den Te Araroa. Wahrscheinlich waren es seine Fusstapsen auf der Düne, die ich gesehen hatte, was ein unfassbarer Zufall ist. Er erzählte uns von seinem erloschenen Lebenswillen und seiner Liebe zum Wandern. Den Jakobsweg, den Weg durch China, durch Afrika und nun durch Neuseeland. Sein Glaube an eine höhere Macht und seine Mission, den Menschen Erleuchtung zu bringen. Das alles war mehr als interessant und wir erzählten noch bis spät in die Nacht, über die Philosophen, die ich gelesen hatte, über unsere Erfahrungen mit te Araroa, über unterschiedliche Kulturen und über geistige Erleuchtung. Am Morgen ging es gleich weiter, da ich mit ihm für diese Nacht mein Zimmer teilte. Was für ein Mensch, der alles hintersich gelassen hat um sich selbst zu finden und doch so traurig ist. Ich verabschiedete mich von ihm und er gab mir ein paar Tips für meine nächste Wanderung. Der größte war aber, das ich meinen eigenen Weg gehen sollte.


Und das mache ich schon lange.

Kommentare

  1. Wirklich eine interessante Begegnung. Ich glaube, wenn man sich drauf einlassen kann, kann man viel für sich selbst bei so einem Trip mitnehmen. Ich muss sagen, dass "den Menschen Erleuchtung bringen" nicht unbedingt einen Pluspunkt geben würde, aber einen Menschen zu finden, mit dem man gut philosophieren kann, ist auf alle Fälle was wert! :-)

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