Alles was bleibt




Alles was bleibt ist das Gefühl, dass wir uns noch so viel zu erzählen haben. Das es noch nicht der letzte Stein ist, den wir umgedreht haben und es noch andere schöne Ziele gibt, die es zu erobern gilt. Wir könnten das Fenster öffnen, den Kopf nach draußen halten und die Haare im Wind fliegen lassen, während wir durch die Gebirge fahren. Das Leben würde uns ins Gesicht wehen und den Moment aufleben lassen wie ein loderndes Feuer der Gegenwart. Die Freiheit, tun und lassen zu können was wir wollen treibt uns immer wieder auseinander und lässt die schönen Momente in einem Tanz der Gefühle auf- und abebben, um sie im Nachhinein nur noch mehr zu bekräftigen und entflammen zu lassen. Doch irgendwann wird jeder Tanz einmal anstrengend und lässt mich müde und nachgiebig werden. Jede Verabschiedung schmerzt wie ein Dolchstoß und vergegenwärtigt meine Richtungslosigkeit. Sie demontiert die Schönheit des Erlebten und lässt so viele Trümmer zurück. Dann sitze ich da und versuche krampfhaft, meine Erinnerungen zusammenzuraffen, um dieses alte Glücksgefühl zu konservieren. Vereinzelte Gedanken, Gefühle und Eindrücke, festgehalten in Bild und Herz, beginnen zu versiegen und malen ein ganz anderes Bild dessen, was eigentlich passiert ist. Sie führen weg von dem sprudelnden Hochgefühl und hinterlassen nur noch den Dunst kalter Erinnerungsschleier.
Bei diesen Gedankengängen ragen die Gebirge der Gegensätze über mir auf und reissen mich in einen Zwiespalt. Was ist wichtiger? Das Ich im Moment, im Hier und Jetzt? Oder das, was ich erlebt habe? Bin ich die Summe meiner Erinnerungen oder das Wesen der Gegenwart, dass auf seine Umwelt reagiert? Oder sind bin ich das, wonach ich strebe, was ich vielleicht morgen, vielleicht aber auch nie machen werde?
Ich kenne die Antwort auf die Frage: ich bin nur ich in Gegenwart von Anderen. Hier artikuliere ich meine Wünsche, meine Erinnerungen und meine Träume, hier lebe ich im Jetzt und freue mich, wenn sich andere freuen. Und deswegen schmerzt es jedes Mal, wieder jemanden gehen zu lassen mit dem Wissen, morgen wieder von vorne beginnen zu müssen.
Alles was bleibt ist das, was ich aus mir mache und die Hoffnung, dass es beim nächsten Mal anders ist.


Kommentare

  1. Sehr philosophische und irgendwie auch traurige Gedanken.
    Man ist immer der Mensch, den die Vergangenheit aus einem gemacht hat. Erfahrungen und Menschen prägen einen. Aber wir leben im Jetzt. Das Jetzt kann plötzlich alles, was einmal war, vergessen lassen. Vielleicht ist es das, was du meinst, nur dass du die Menschen mit einbeziehst. Also, dass du das Jetzt nur durch und mit anderen Menschen wirklich erleben kannst. In etwa so? Ziemlich schwierige Gedanken für diese (unsere europäische) Uhrzeit. :-)

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    1. Hach, danke. Irgendwie fällt mir oft erst im Nachhinein auf, wie verworren meine Gedanken sind. Aber du hast sie ziemlich genau auseinandergedröselt. Wobei man eben diskutieren könnte, zu welchem Grat einen die Erfahrungen die man macht prägen. Und ob man nicht manchmal in nem sozialen Umfeld, das einen NICHT kennt, ganz anders agiert und gänzlich losgelöst ist davon. Wieviel "bleibt" dann noch von einem "selbst"? Das ist irgendwie manchmal ganz schön verwirrend.
      Ah, vielleicht hab ich es: Manchmal einfach schön, eine Gemeinschaft um einen herum aufzubauen, bei der man sich wohl fühlt, was irgendwie ein Indikator dessen ist, was "man selbst" ist... Man hat das Gefühl, nicht auf sich achten zu müssen und trotzdem gänzlich akzeptiert zu sein. Wow, die Antwort gefällt mir ziemlich gut.
      Und der Grund, warum es vielleicht so traurig klingt, was ich geschrieben habe ist, dass ich hier ständig ein- und dieselbe Erfahrung mache: ich lerne wirklich liebe Menschen kennen und man verbringt einen, vielleicht zwei drei schöne Tage, manchmal sogar Wochen und muss sich dann wieder Verabschieden und sieht sich vielleicht nie nie wieder. Man kann zwar Kontakt halten, aber dieses ständige Abreissen dieser wunderschönen Erfahrungen ist manchmal niederschmetternd.
      Nichts desto trotz bin ich sehr glücklich, das alles hier zu haben und zu wissen, das so liebe Menschen zu Hause auf mich warten usw.
      Ach egal, vielen Dank. Jetzt hab ich auf einmal einen viel klareren Blick darauf

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    2. Mir ist heute noch etwas klar geworden. Was ich in meiner letzten Antwort beschrieben habe, kommt wohl dem Sprichwort: "Zeig mir die Menschen, mit denen du dich umgibst, und ich sage dir, wer du bist." gleich... So banal es klingt, so viele interessante Aspekte kann man daraus ableiten..

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    3. Der Spruch beschreibt es eigentlich wirklich gut. Im Grunde ist er gar nicht so banal, wie es vielleicht wirken mag. :-)

      Und ich kann mir vorstellen, dass es sehr schmerzlich ist, so viele liebe Menschen dauernd verabschieden zu müssen. Aber im Grunde ist es doch immer so. Nur dass es im "normalen Alltag" vielleicht etwas länger dauert und du durch deine Reise das alles im Schnelldurchlauf mitmachen musst. Auf eine gewisse Weise reisen wir doch alle, nehmen Leute mit und verabschieden sie wieder. :-)

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