Strand, Moos, Bürsten und Sandflies. Oder: was beim Trampen alles schief gehen kann


Teil 1:


I've been busy. Die letzten Wochen sind bis unter die Decke vollgepackt mit magischen Momenten und spektakulären Eindrücken, die mir den Atem geraubt haben. Erst jetzt finde ich die Zeit, all die Impressionen zu verarbeiten und sie mit euch zu teilen, sofern das irgendwie möglich ist.

Plimmerton bei Wellington

Abel Tasman


Nach dem Tongariro-Crossing mit Anja und Yannick haben wir uns nach einem kurzen Aufenthalt in Plimmerton und Wellington aufgemacht, die Südinsel zu erkunden., Man mag es kaum glauben, aber dieser Teil Neuseelands legt in Sachen Naturgewalt noch einmal eine Schippe zu.


Der Eingang zum Abel Tasman

Neben den sowieso schon wunderschönen Stränden gesellen sich Fjorde, in Berglandschaften eingebettete Seen, mildes Klima und noch nettere Menschen hinzu. Um sich dieser phänomenalen Landschaft angemessen hingeben zu können haben wir daher beschlossen, den nach einem niederländischen Seefahrer benannten Great Walk namens Abel Tasman zu besichtigen, der sich durch goldene Strände, glitzerndem (wirklich!) Meer und atemberaubenden Aussichtspunkten auszeichnet. Zudem habe ich Nicolette, die holländischen Dame, mit welcher ich bereits Cape Brett bezwungen habe, eingeladen, damit wir uns wieder einmal austauschen und gemeinsam wandern können, ohne fluchen zu müssen bis sich die Balken biegen.


Als wir ankommen, ist das Wetter mehr als bescheiden

Denn der Abel Tasman ist zum Glück weniger anstrengend: er wird viel mehr als Urlaubspunkt der ansässigen Kiwis benutzt und so fühlt es sich auch an. Es gibt zwar einige lange Passagen, aber wenn einem zu heiß wird, springt man einfach ins Meer, genießt den Blick auf die Buchten oder ruht sich ein wenig im Schatten aus. Auch wenn man hier dann das erste Mal mit den auf der Südinsel noch viel hartnäckigeren Sandflies konfrontiert wird. Waren sie auf der Nordinsel schon nervig, vervielfältigt sich ihre Anwesenheit auf dem unteren Teil Neuseelands um mehrere Millionen! Vor allem meine Knöchel und Füße wurden nachhaltig "geprägt".

Der Höhepunkt unserer Wanderung war definitiv der Abend des ersten Tages.





Denn: nachdem es noch die ganze Zeit geregnet hatte, beschlossen wir, gegen Abend den nahegelegenen Separation-Point aufzusuchen, ein Aussichtspunkt, an dem es ein paar Robben geben sollte. Als wir dort ankommen, klärt der Himmel auf, die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen und verzaubert die kleine Leuchtturminsel, auf der wir mutig zu den Robben klettern und einen winzigen Pinguin entdecken, in einen magischen Ort, von dem ich noch lange Schwärmen werde und die ihren Moment in meiner Wow-Liste redlich verdient hat!












An diesem Abend lernen wir auch Sebastian kennen, der allein für ein paar Wochen nach Neuseeland gereist ist. Mit ihm spielen wir eine Partie Schach und wandern von hier an gemeinsam den Rest des Walks. Das Schöne am Übernachten in Hütten ist, dass man immer wieder spannende Menschen kennenlernt und dann für eine gewisse Zeit gemeinsam den Weg teilt, um Geschichten auszutauschen und Eindrücke zu teilen, so auch mit ihm. Wir reden über Psychologie und unterschiedliche Ansichten der Welt, über Musik und Bücher und nach und nach gesellen sich immer mehr Menschen dazu. Zusammen wandern wir über goldene Strände, entlang an wunderschönen Hängen, blauem Meer und Buschgebiet. Hin und wieder gilt es, Flut-Gebiete zu durchwaten, was das ganze zu einem kleinen Abenteuer macht.























Und so enden wir am letzten Tag mit 14 neuen Freunden von jeglicher Altersspanne. Diese immer wieder aufblühenden zwischenmenschlichen Beziehungen machen die Wanderungen zu etwas einzigartigem. Auch wenn die Landschaft die gleiche bleibt, die Erfahrung ist immer gefärbt durch das Prisma der Leute, denen man dort begegnet.


Bürsti Bürsti

Nachdem ich vom Abel Tasman wieder in Nelson angekommen bin und ich mich von Anja und Yannick verabschieden musste, da sie einen engen Zeitplan verfolgen und weiter in den Süden reisen wollten, beschließe ich, mich die nächsten Tage etwas zu erholen und einen eigenen Plan zu schmieden. Und um Nelson zu erkunden. 














Obwohl die Stadt nicht wirklich herausragend ist, habe ich die Zeit hier sehr genossen. Im Honeysuckle House habe ich mich sehr willkommen und daheim gefühlt, und vom Hostel nur ein paar Meter entfernt geht es zum "Center of New Zealand", wo man jeden Abend einen anderen, atemberaubenden Sonnenuntergang betrachten kann. Oder zum Maitai River, der sich weit in die Berge windet und viele Tiere beheimatet. Doch lange Zeit zum Erholen und Erkunden habe ich nicht, denn auch hier im Hostel treffe ich wieder ein paar neue nette Menschen, die gerade planen, den "Heaphy Track" zu begehen, der ebenfalls auf meiner To Do Liste steht.


Meine neuen Weggefährten (ich, Adrian, Imke und Theresa: es fehlt die Kathi und der Micha)

Wie der Abel Tasman liegt auch dieser in der Golden Bay und gilt als einer der Geheimtipps. Aufgrund seiner schwierigen Lage und seiner Länge (80 km) wird er verhältnismäßig kaum begangen, da man hier die Insel an einem recht dünnen Punkt von einer Seite zur anderen überquert und auf der anderen Seite eine mehrstündige Fahrt zurück zum Ausgangspunkt wartet. Da wir nun sowieso kein Auto haben, beschlossen wir, hinzutrampen und einen kleinen Wettbewerb zu veranstalten: mal schauen, wer von uns Fünf zuerst in Takaka, unserem Ausgangspunkt, ankommt. Die Strecke ist eine ca. 2 Stunden lange Fahrt, was sich recht leicht trampen lassen sollte, möchte man meinen. Wir beschließen, kleine Grüppchen zu machen und so malen Adrian und Kathi und auch Michael und Theresa ein Schild. Da ich bisher sehr gute Tramperfahrungen ohne Schild gemacht habe und die Strecke sowieso fast nur in eine Richtung führt, dachte ich mir, dass ich das Schild lieber weg lasse und die Zeit mit packen verbringe. Am Tag der Reise begeben wir uns also gemeinsam an den Ausgangspunkt, und oh welch Glück: das erste Auto vor mir hält bereits und Adrian und Kathi werden mitgenommen, ohne das sie auch nur ihren Rucksack abstellen konnten. "Das geht ja einfach" will ich zu Micha und Theresa sagen, welche sich hinter mir befinden. Doch das konnten sie gar nicht mehr hören, da sie sich bereits ebenfalls in ein Auto steigen. "Wow", denke ich, "das kann ja nicht mehr lange dauern" und stelle mich grinsend an die freie, gutbefahrene Straße. Nach ca. einer Stunde erfolglosem Daumendrücken grinse ich zwar immer noch, aber ich beschließe, lieber etwas weiterzugehen, der Ort scheint doch nicht so gut zu sein zum trampen. Nach mehreren neuen Versuchen finde ich mich irgendwann auf der Schnellstraße wieder, kein guter Ort, um einen Anhalter mitzunehmen. Da ich viel Zeit hab und noch guter Dinge bin, beschließe ich, einfach zum nächsten nahegelegenen Ort zu gehen, wo die einzige Abzweigung zu Takaka ist und von wo aus es offensichtlich sehr einfach ist, mitgenommen zu werden. Dabei habe ich die Distanz unterschätzt und nach einem (weiteren) 7 km Walk befinde ich mich nun endlich auf der Strecke. Adrian und Theresa waren zu dieser Zeit bereits in Takaka angekommen, während ich mich auf einer langen, geraden und wunderschönen Strecke positioniere und voller Enthusiasmus in meinem schattigen Eckchen den Finger hinausstrecke.
Niemand hält.
Nach gut 30 Minuten sehe ich in der Distanz einen anderen Tramper auftauchen und denke mir "orrr, noch ein Tramper, das wird NIE was". Er läuft auf mich zu und nach kurzem Austausch stellen wir fest, das wir in die gleiche Richtung wollen und beschließen, dass er etwas weiter nach vorne geht und wenn jemand für ihn anhält, er denjenigen bittet, auch mich mitzunehmen. Wie nett! Ich willige ein und biete ihm das Gleiche an. Nach nicht mal 5 Minuten hält dann das erste Auto (ab hier nehme ich es persönlich!) und ich sehe, wie der Tramper mit dem Fahrer auf mich zeigt und beide Nicken. JA! Denke ich mir, das wird ja doch noch was! In dieser Sekunde hält ein anderes Auto und bietet mir an, mich mitzunehmen. Ich frage ihn, wo er den hin möchte und muss zu großem Bedauern feststellen, das er in eine andere Richtung will. Wir verabschieden uns, in dieser Sekunde fährt der andere Tramper an mir vorbei und denkt, ich hätte bereits eine Mitfahrgelegenheit und fährt vorbei. 
Ich lache.
Mindestens fünf Minuten. Als ich auf einmal ein neues Auto ganz langsam auf der Parkspur anrollen sehe. Ich denke mir "Oh, eine vorsichtige Dame die mich gerne mitnehmen möchte", sie rollt langsam auf mich zu, immer näher auf mich zukommend und in den einzigen schattigen Platz, den es auf der Straße gibt. Nämlich meinen. Sie bleibt stehen, genau vor mir. Ich gehe auf sie zu doch sie winkt ab! "???", denke ich mir, als ich sehe, das sie eine Bürste raus holt und ihr Haar bürstet. Für 10 Minuten. Genau vor mir. An der einzigen Tramperstelle einer 2 km langen Straße. Ich schüttele den Kopf und stelle mich ein paar Meter weiter in die pralle Nachmittagssonne, bis mich ein lieber Maori endlich mitnimmt, nur, um mich ein paar Kilometer weiter mitten auf einer Kreuzung abzusetzen, wo es keine Möglichkeit gibt, anzuhalten. Nach diesen unglücklichen Episoden finde ich aber doch noch mein Weg nach Takaka, nur, um zuletzt noch eine junge Frau kennenzulernen, die mir von einem großartigen Hippiefestival oben auf dem Takakahill erzählt. Sie suchten noch Helfer und wenn ich wollte, könnte ich mich bewerben.

Ich wolle es mir überlegen, aber erstmal muss ich wandern!
Es geht also los!

Heaphy Track

Nach einer einstündigen Shuttle-Fahrt zum Start des Tracks beginnt der erste Tag der Wanderung, welcher sich durch 18 km langen Anstieg auf ca 1200 Meter auszeichnet, von wo aus man einen herrlichen Blick über die Berge Neuseelands hat. Der leichte Anstieg und die bewachsene Waldlandschaft sind nicht gerade überragend, aber die Unterhaltungen auf dem Weg nach oben sind witzig und wir lernen auch hier gleich wieder viele neue Menschen kennen. 














Die Ankunft in der ersten Hütte zeigt zudem gleich die luxuriösen Hütten, die hier auf uns warten sollen. Gemütliche kleine Zimmer mit einem schönen Ausblick und netten Menschen, was will man mehr? Am Abend lerne ich zudem zwei charmante Kiwifrauen kennen und mit Rata unterhalte ich mich länger über Poesie, Bücher und ferne Kulturen. Wir stellen fest,dass auch sie zum Luminate-Festival auf dem Takaka Hill möchte. Mein Entschluss, dorthinzugehen, festigt sich mehr und mehr, endlich kenne ich dort jemanden.
Nachdem wir den Kiwivögeln im Wald lauschen, begebe ich mich ins Bett, denn der Hauptteil der Reise soll erst noch vor uns stehen. Und was für ein Hauptteil: über ein langgezogenes Plateau durchzogen von Flüßen, goldenem Gras und wackeligen Hängebrücken begeben wir uns in einen magischen, moosverzauberten Wald, den sich kein Fantasieautor besser ausdenken könnte. Hier nimmt der Pan sein Frühstück ein, die Feen tanzen um alte Baumstämme und in den dunklen Löchern leben unaussprechbare Kreaturen. Beeindruckend!  Kurze Zeit später finden wir uns in einem nebeligen Sumpf, wo Arthur Conan Doyle mit Sicherheit den Hund von Baskerville geschrieben hat.  



















Eine Weta: das ist das Tier, nachdem sich Peter Jacksons SFX-Studio benannt hat

Nach 25 km Wanderung kommen wir erschöpft aber tief beeindruckt in der nächsten Hütte an, wo ich glatt einen der schönsten Sonnenuntergänge verschlafe. So ist das nunmal. Dafür gut erholt geht's tags drauf auf einen laaaangen Abstieg, der uns entlang des Heaphy-Flusses führt, der durch seine einzigartige Farbe in seinen Bann nimmt und an dessen Seite Bäume so breit wie Autos und so hoch wie Hochhäuser erwartet. 

















Mächtige Äste und Zweige ringen sich empor und lassen eine Dschungellandschaft entstehen, in der hinter jeder Ecke ein Raptor oder Triceratops wartet! Nur um am Ende an einer wunderschönen Bucht, in die der Heaphy-Fluss mündet, unsere letzte Hütte vorzufinden. WOW! Wir sind begeistert und Könnens kaum erwarten, ins Wasser zu springen. Wir ziehen den Badeanzug an und springen zum süßwassergetränkten Meer, nur um festzustellen, dass wir uns offensichtlich gerade in der Sandfliekonfferenz zur Ideenentwicklung neuer Methoden zum Nerven der Menschheit gelandet sind. Und wir sind nicht Willkommen! Geplagt von schwarzen Wolken werden wir rausgeschmissen und können das Bad nur für ein paar Sekunden genießen.

















Nachdem wir den Rest des Tages im mehr oder weniger gut geschützten Haus verbringen oder uns dick einpacken müssen, um den Sonnenuntergang zu sehen, lässt sich auch noch der Vollmond blicken, den wir aber nur peripher genießen können. 

Am nächsten Tag starten wir bereits früh am morgen auf den letzten Marsch entlang am Meer. Und was für ein Meer! Die Strände übertrumpfen den Abel Tasman um längen, die herrlichen Buchten, steindurchzogenen Strandabschnitte und Weka-Familien (einheimische superputzige Vögel) offenbaren ein hochkarätiges Fotomotiv nach dem nächsten. 














Doch so nach und nach wissen wir, das wir am Ende der Reise angekommen sind und die Vorfreude auf eine Dusche und sandflielose Zimmer lässt uns unsere Aufmerksamkeit aufs kommende Hostel wandern.




Sandflies überall!


Und ab hier sollte eine ganz besondere Episode meines Neuseelandsaufenthaltes beginnen.
Dazu mehr im 2. Teil 

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