Shorts



Am Kamin

Draußen sind es ungemütliche sieben Grad Celsius. Im Zelt selbst war es noch kuschelig, doch die morgendlichen Befindlichkeiten nötigen mich dazu, mich der Kälte auszuliefern.
Ich putze mir die Zähne im T-Shirt und springe von einem Bein aufs andere, um meinen Kreislauf in Schwung zu bekommen und mich warm zu halten, während mich das Schaf, das in der Nacht neben meinem Schlafplatz gegrast hat, gelangweilt anschaut und genüsslich sein Gras kaut. Ich springe zurück ins Zelt und schlüpfe in ein paar wärmere Sachen, schnappe mein Buch und sprinte zur Hütte.
Aus ihrem Schornstein steigt bereits Rauch auf. Freudig flitze ich hinein und setze mir einen Tee auf, schmiere mir zwei Marmeladenbrote und nehme noch zwei Möhren mit. Am Kamin lege ich ein paar Scheite  nach. In die Decke schmiegend nippe ich am Tee und versenke meine Gedanken in mein Buch. Mein Kopf kreist fern ab von einstelligen Temperaturen. Das Dröhnen des Feuers wickelt mich ein in einen Schleier des Jetzt, versiegt alle aufkommenden Gedanken und lässt mich unbekümmert im Fluss des Buches treiben.
Das Leben braucht so wenig, um schön zu sein.
PS: jetzt is mir doch glatt der Kamin ausgegangen.

Du

Es gibt diese Menschen, in deren Anwesenheit die Zeit keine Rolle mehr spielt. Die Gedanken verstummen, der Zweifel verweht und man wird zu etwas mehr als man selbst. Man wird zum Moment, zum Impuls der nach vorne treibt, zu Laubblättern, die sich gemeinsam im Wind immer höher schrauben und einen Reigen der Gefühle entfachen. Die Welt ergibt auf einmal Sinn, egal wie schlecht sie einen behandelt. Es macht einem nichts mehr aus. Im Gegenteil: man schaut in ihr Angesicht und grinst. Die Sonne scheint auf einmal etwas heller, das Gras ist noch etwas grüner und das Essen schmeckt auf einmal wie ein kleines Festmahl.
Solchen Menschen begegnet man nur selten. Aber wenn, dann merkt man es sofort.

Tiefe Wurzeln

Ich wandere mit einem Gefühl der Hemmung durch die Welt, welches mich bestimmt, lenkt und fest in seinem knöcherigen Griff hält. Bewegungslos wie ein tief verwurzelter Baum stehe ich bestimmten Menschen gegenüber und bin nicht in der Lage zu artikulieren, was in mir vor geht. Ich möchte die Kapuze von meinem Kopf ziehen und mein Ich zeigen, doch die Furcht, den einsamen Eremiten darunter zu entblößen und mein Gegenüber zu enttäuschen lähmt mich. In mir wabert ein undefinierbares Geflecht an zweifelnden Gedanken, die mich verstummen lassen wenn ich am meisten erklinge, wenn meine Gefühle die Überhand nehmen wollen. Dann beginnt der ewige Zirkel seinen Weg von vorne und macht mich zu einem Gesichtslosen, zu einem angepassten Nichts, ohne Charakter und Eigenschaften und schraubt sich unerbittlich in meine tiefsten Empfindungen, in den in mir funkelnden Stern, der heller leuchtet als jede menschliche Auge ertragen kann. Vielleicht habe ich Sorge, mein gegenüber zu blenden und die Blindheit nicht aushalten zu können, also schließe ich lieber die Tür und lasse es erst gar nicht darauf ankommen. Ich wünschte, mein Gegenüber hätte eine Axt, um dieser Tür endlich den Gar aus zu machen.

Ferne Giganten

Ich sitze auf dem Berg, schaue gespannt auf die Gebirgskette gegenüber und warte. Der Schnee reflektiert das verbleibende Licht, die Sterne beginnen zu funkeln und vereinzelt sieht man in den Augenwinkeln die Überbleibsel der erstrahlenden Sternschnuppen. Wieviele davon wohl diese Nacht einfach verglühen? Wie groß ist die Zahl der Menschen, die genau jetzt ebenfalls in den Abendhimmel schauen? Irgendwo geht gerade die Sonne auf und die Alltagssorgen gehen für manche Menschen gerade wieder los. Die Gedanken trommeln in meinem Kopf wie drumsticks auf ein Schlagzeug, jede Sekunde gebärt unzählig viele neue Fragen. Die Zeit vergeht nur langsam, die Finger werden kalt und klammern sich um die Kamera, doch alles was zählt ist der nächste Moment.
Wenn sich mühsam der große Ballon langsam zwischen den Gipfeln erhebt, das Gebirge in eine düstere Fantasie verwandelt. Er skizziert eine Welt voller zerfallener Schlösser, Gespenster und unaussprechlichen Wesen.  Hier wandern noch Giganten über die Welt und verteidigen das heilige Sanktum des alten Volkes, welches die Geheimnisse der Menschheit birgt.
Der Vollmond erhebt sich in einem riesigen orangenen Ball über das vor mir liegende Tal, erleuchtet den Fluß und den See, taucht die Berge in ein mir unbekanntes Licht, als würde man einem bizarren Sonnenaufgang einer Welt zuschauen, deren Menschheit schon längst verloren ist. Die Gedanken fliegen fort in die Nacht, jagen Sternschnuppen und Wolkenfetzen, umarmen das Mondlicht und tanzen.
Der Mond vergegenwärtigt, wie klein der Mensch ist, wie viele Möglichkeiten des Seins dort draußen auf uns warten, wie schwierig es ist, etwas zu bewegen.
Und trotz aller Wehmut macht er auch klar, wie wunderbar es ist, das wir trotz all der Unwahrscheinlichkeit und unendlichen Möglichkeit Tag für Tag und Nacht für Nacht unter dem Himmelsgestirn sein können und die Welt immer wieder in einem neuen Glanz zu betrachten, sie zu bewundern, zu erkunden, um ein Stück von sich selbst zu entdecken.

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