Entscheidungen, Entscheidungen.






Jetzt sitze ich hier, höre The Album Leaf und tränen kullern über mein Gesicht. Umgeben von wolkenverhangenen Bergen, Kühen und Vögeln sitze ich auf einer Gartencouch und lasse die letzten Tage Review passieren und stelle fest, dass ich die beste Entscheidung meines Lebens getroffen habe. Statt mit den drei lieben Mädels nach Lake Taupo zu fahren um dort zusammen Weihnachten zu feiern, bin ich zurück nach Coromandel Town getrampt, um die letzten Tage, die Lenja und Pina dort in der Tui-Lodge bleiben, gemeinsam zu verbringen. Gäbe es ein Buch über mein Leben, in welchem all die schönen Tage die ich verlebt habe verzeichnet würden, dann würde der 21. Dezember 2012 ganz vorn stehen in riesigen Lettern mit allerhand schönem Schnörkel drum herum. Da würde eine lächelnde Sonne erstrahlen, umgeben von verregneten Wolken, es gäbe viele bunte Tiere, Tennisschläger, selbstgebackenes Brot, Strände mit riesigen Wellen, Aprikosen und jede Menge, wenn auch schlecht gezeichneter, lächelnder Personen, denen das Glück quer über das Gesicht geschrieben ist. Die leuchtenden Bäckchen würden sich wahrscheinlich nicht leicht malen lassen, da muss sich Herr Lebenstagmaler was ausdenken, aber ohne geht's nicht.
Die Magie, die von diesem Tag ausgeht, dem irgendwelche Menschen mal den Weltuntergang prophezeit haben, hat mich nachhaltig verändert. Ein leuchtender magischer Funke erstrahlt in mir und zeichnet eine blühende Landschaft aus Licht, deren Faszination nur mit dem Ersteigen eines Berges zu vergleichen ist, welches am Ende einen Blick über die gesamte Welt ermöglicht, an dem gerade die Sonne aufgeht. Für den Rest meines Lebens werde ich meine Arme um die Erinnerungen schließen und mich daran erfreuen, wie schön das Leben sein kann und mit welchen schmutzigen Tricks die Natur mein Bewusstsein besticht, um mich zu einem mutierten Grinsebäckchen zu verwandeln. Oh, wie ist das Leben schön.

Dabei hätte ich nie gedacht, dass die Wanderung zum Cape Brett je übertroffen werden könnte. Jedoch wird gerade nach der letzten Erkenntnis, die ich in "Heimweh" für mich selbst gefunden habe, diese Reflexion durch den gestrigen Tag unterstrichen. Denn anders als bei der langen Zwei-Tages-Wanderung war ich diesmal umgeben von einer ganzen Gruppe unfassbar lieber Menschen. Wir haben uns gemeinsam aufgemacht, den "New Chums Beach" zu erkunden, einen besonders abgelegenen Strand, der gar nicht so vielen bekannt ist, obwohl er zu den schönsten Stränden der Welt zählen soll. Aufgeschnappt durch Konversationen mit Backpackern war ich ganz erpicht darauf, ihn ausfindig zu machen und zur Rede zu stellen: was das soll mit dieser Schönheit und Geheimniskrämerei und so? Doch das Wetter wollte mich davon abbringen, ihn in eine pikierte Lage zu bringen, denn mit bedrohlichen Regenwolken am Morgen, langen Schauern und wechselhaften Sturmeinschüben, die die Ausläufer des Zyklons aus Fiji darstellten, wollte sich keine wirkliche "Badestimmung" einstellen. Also begannen Lenja, Pina, Aileen, Alex, Leo, Bastian und ich zuerst, ausgiebig zu Frühstücken und gemeinsam Brot zu backen. Wow, Brot: mein erstes selbstgebackenes Brot. Ich bin stolz. 


Es ist etwas klein geraten (250 Gramm), aber es schmeckt herrlich! Aufgrund mangelnder Indegredenzien mussten wir zwar auf Körner und dunkles Mehl verzichten, aber es ist schon was feines, in hartes Brot zu beissen, wenn man 8 Wochen lang nur so weiches Zeug futtert und der Kiefer schon angemessene Kaubewegungen verlernt hat! Mit viel Spaß an der Sache tischen wir also allerhand Obst, frisches Gemüse und Quackamole auf und zelebrieren den verregneten Tag mit angeschraubter Kieferleistung. Ich lerne Leo und Bastian besser kennen, zwei junge, werdende Studenten, die zusammen das Land bereisen und Aileen und Alex , die sich für freie Unterkunft für eine Weile in der seligen Tuilodge arbeitend einquartiert haben und sich über neue Gäste immer freuen. Meine zwei Brotgefährten, Lenja und Pina, sind, wie die anderen auch, aus Deutschland und erfreuen sich seit gerade mal gut einer Woche an der Schönheit Neuseelands. Sie sind zwei Schwestern, deren familiäre Nähe zueinander die Atmosphäre des Hostels erhellt und wärmt und noch genügend übrig lässt, um neue Menschen daran teilhaben zu lassen. Bei ihnen habe ich mich gleich wohlgefühlt, als ich sie vor gut einer Woche kennengelernt habe: Lenja stand auf einmal mit einem großen Lächeln und ihrer Kamera neben mir, als ich vertieft darin war, den wunderschönen Sonnenuntergang von Coromandel Town zu fotografieren. Einer dieser magischen Momente, die man in Neuseeland am laufenden Band hat, man sich aber nie daran gewöhnen kann. Wir setzten uns zusammen mit Pina an einen Tisch und verbrachten den Abend mit Konversationen über Gott und die Welt, Idealismus, Bildung, Fotografie und persönlichen Geschichten. Wie eigentlich den gesamten Rest unserer gemeinsamen Zeit. Beschwipst von der belebenden Konversation kam mir die Tui-Lodge noch viel schöner vor und ich wurde mal wieder, lasst es uns gemeinsam sagen: sentimental, als wir weiterreisen mussten. Nun saß ich aber wieder neben ihnen, lies meine Kiefer quietschen und alles fühlte sich richtig an. In diesem Moment brach die Sonne hervor und gegen Mittag beschlossen wir, zusammen mit den lieben Schweizern Anja und Yannick, die einen Tag zuvor endlich auch in Coromandel Town angereist sind und mit denen ich meine gemeinsame Reise später fortführen werde, nach Wangapoa (oder so) zu fahren, wo sich besagter Strand befinden soll. Und tatsächlich, da ist er. Und WAS für ein Strand es war: 


in Whangaopa angekommen, begann die Sonne mit ihren wärmenden Pinseln lächeln auf unsere Reisegruppe zu zaubern, das für den Rest des Tages nicht mehr auszuradieren war. Warmes Wasser, berauschende Wellen in denen sich unzählige Surfer tummelten, spielende Kinder im Wasser und ein paar vereinzelte Wolken, die die bläuliche Bläulichkeit des Himmels unterstreichen. Sagenhaft! 


Wir begannen den kleinen Weg zum Strand grazil hüpfend über große Steine wie tanzende Feen, die mit einander spielen, zu überqueren.. Kurz vor dem Ende gab es noch eine Abzweigung auf einen hochgelegenen Hügel, den wir natürlich sofort angehen mussten! Bergziegengleich pilgerten Alex, Leo und ich den steilen Hang herauf, umgeben von "Wows" und "Unfassbars" am laufenden Band.


Mit jeder Ebene, die wir höher kamen, ergaben sich schönere Panoramen, die uns vor verzücken aufschreien lassen sollten. An dieser Stelle möchte ich übrigens dem Schmerz Ausdruck verleihen, der einem das Herz gefrieren lässt wenn man merkt, dass man seine Kamera im Hostel hat liegen lassen und all diese schönen Momente nicht selbst festhalten kann. Gepaart mit dem stechenden Schmerz der Barfusswanderung ergeben sie einen Cocktail miesmuscheliger Reuemomente, die mich nur aufgrund der Schönheit des Tages nicht gänzlich niedergeschmettert haben.
Nachdem wir oben angekommen sind, dem Augenblick gefrönt hatten und die anderen hinreichend Fotos geschossen hatten, begann ich in sagenumwobener Geschwindigkeit den Abstieg, um endlich meinen unförmigen Körper ins Meer hüpfen zu lassen. 



Die riesigen Wellen, ebenfalls Zeuge der Sturmgewalt in Fiji, waren eine Wonne, in die man sich immer und immer unermüdlich schmeißt und sich mit vergnügen durchwirbeln lässt. Ein Königreich für ein Surfboard! Der Strand zeichnet sich durch schattenspendende und blühende Bäume, herrlichem Sand, glasklarem Wasser, einigen Inseln in der Nähe und schierer Abgelegenheit aus, er liegt direkt hinter einem baumbewachsenen Hang, an dem unter anderem die neuseeländischen Weihnachtsbäume wachsen und ein warmes Rot versprühen. 


Welch Oase, ein geistiges Ressort für die ruhelose Seele. Hier möchte man sterben. Nein, hier möchte man für den Rest seines Lebens sein!
Doch so viel Zeit haben wir leider nicht. Nach einer Erkundung der naheliegensten Insel, dem Beobachten von sich versteckenden Krebsen unter Steinen und einem Möwennest mit Jungen müssen wir nach gut 4-5 Stunden langsam den Rückweg antreten, es wird dunkel, die Sonne neigt sich und wir möchten noch etwas vom Sonnenuntergang mitbekommen.





















Nachdem wir noch einmal den Hügel erklommen haben um ein paar Schnappschüsse zu machen, kommen wir mit dem Auto auf einem Aussichtspunkt zwischen Coromandel Town und Whapaupao, der die untergehende Sonne von Coromandel in einer Bucht mit lauter Inseln auf dem Serviertablett präsentiert. 
Atemberaubend. Mein Herz schlägt höher als ich neben mir den Mond sehe, der über einem wolkenbehangenen Berg steht und das Szenario zu einem berauschenden Erlebnis macht, das ich nie vergessen werde.
Die Schönheit des Moments verweht die Wehmut der Endlichkeit dieses Tages, ich verharre im Glück und schaue zu meinen BegleiterInnen. Ich habe noch nie so viel herzliches Lächeln  auf einem Haufen gesehen und weiß, dass sie alle das gleiche fühlen wie ich.


Eternal Bliss, my Darling.




*alle Bilder stammen von Lenja's Kamera, einige davon habe ich gemacht, die meisten jedoch sie.

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