Herbst

Mountain View Walk


Obwohl der Herbst aufgrund seiner Melancholie nicht selten auch eine gewisse Lethargie mit sich bringt, habe ich mich nicht unterkriegen lassen und mich der herbstlichen Farbvielfalt und Schönheit gänzlich ergeben.

Da meine bisherigen Bemühungen für einen Job in und um Wanaka noch keine Früchte trugen (welch passende Metapher für den Herbst) und Fabian sich ankündigte, kurz vor seiner Abreise unbedingt noch eine Wanderung zum Cascade Saddle machen zu wollen, einem Bergkamm im Nationalpark bei Wanaka, beschlossen wir, uns gemeinsam zu verabreden und seinen Abschied mit einer letzten Wanderung zu besiegeln.
Leider war die Wettervorhersage eher durchwachsen, weshalb wir uns das Warten mit einem ausgedehnten Tagestrip vertreiben wollten, der direkt vor der Haustür meines Hostels starten sollte:
dem sogenannten Mountain-View-Walk in Wanaka, der entlang der Hügel/Bergkette des Wanaka-Sees entlang führt. Wir starteten um 8 Uhr in der Früh und erlebten einen der schönsten Herbstsonnenaufgänge, den man sich vorstellen kann.












Esel füttern. Quiiieetsch!



Der Einen oder dem Anderen könnte die kommende Aussicht bekannt vorkommen, da der Mountain-View-Walk den Roys Peak beinhaltet, den ich bereits mit Lenja, Pina, Jaska und Celia auf unserem Roadtrip begangen habe, doch sind wir an dem ersten Berg umgekehrt. Diesmal haben Fabian und ich uns noch zum Mt. Alpha durchgekämpft, der Weg sollte uns ungefähr 9 einhalb Stunden einnehmen. Das Wetter war zwar am Morgen noch herrlich, aber gegen Mittag begannen die Regenwolken aufzuziehen, in denen wir nicht viel Sicht hatten, wenn man dann aber etwas sehen konnte war es schon sehr besonders!
Zudem gab es, nicht zuletzt aufgrund Fabians wehmütiger Abreise, viel zu erzählen und in Erinnerungen zu schwelgen. Gemeinsam sind wir vor über sechs Monaten angekommen, haben unsere ersten Schritte in einem neuen Land zusammen begangen und so viele Abenteuer erlebt, was natürlich mehr als genügend Gesprächsstoff eröffnete. Und langsam wird es einsam, hier in Neuseeland. All die lieben Menschen reisen ab, ein ständiger Strom neuer Backpacker sorgt zwar dafür, nie allein zu sein, doch die lieb gewonnenen Freunde dünnen sich aus und hinterlassen ein Gefühl der Wehmütigkeit. Zum Glück kann man immer wieder einfach hinaus und diese atemberaubende Landschaft bestaunen.















Da uns das Wetter nach und nach immer mehr durchgeweicht hatte und wir aufgrund der fortgeschrittenen Zeit den Weg sogar am Ende querfeldein über Privatgelände abkürzen mussten, kamen wir gegen 18 Uhr erschöpft im Hostel an. Beide hatten wir Kopf- und Gliederschmerzen und tatsächlich wurde Fabian von einer fiesen Grippe erwischt, die ihm einen dicken Strich durch unsere gemeinsame Wanderung zum Cascade Saddle machen sollte.

Cascade Saddle


Erschöpft erholten Fabian und ich uns auf der Couch, doch der Nationalpark wartete nun allein auf mich, da Fabian seinen Flieger bekommen musste. Da es eine große Dummheit wäre, die Wanderung allein zu begehen, machte ich mich auf die Suche nach anderen Interessierten. Schon bei unserer Planungsphase vor der ersten Wanderung sind wir dabei Jane, einer amerikanischen Grundschullehrerin begegnet, die ebenfalls nach einem Wanderausflug suchte, zudem war da noch der Goldgräber Ben, der sich gerade etwas ausruhte, aber bald wieder in den Park durchstarten wollte. Zudem lernten wir noch Kerstin kennen, mit der wir gleich mal eben eine spannende 12-Stunden-Konversation auf der fantastischen Hostelcouch führten. Nach und nach kamen also immer mehr interessante Menschen zusammen, die mich auf meinem Trip begleiten sollten, bis wir sieben Personen waren, die zumindest in den National Park wollten. Der Cascade Saddle jedoch ist eine wirklich schwere und besonders steile Angelegenheit, wie wir durch mehrere Warnungen immer wieder vergegenwärtigt wurden. Und auch die Wetterbedingungen sollten wir berücksichtigen, denn mit Schnee oder Regen würde der Rückweg ein Risiko und eher schwer passierbar. Mehreren Menschen hat dies bereits das Leben gekostet.
Den Risiken bewusst mieteten wir also ein Auto, um in den Park zu gelangen (tatsächlich die günstigste Variante), wo wir uns in zwei Wandergruppen aufteilten. Die eine Gruppe bestehend aus der Amerikanerin Jane (die Dritte von rechts), Benedikt aus Österreich (der Zweite von rechts), Kiwi-Goldsucher-Ben (rechts) und mir ( der Haarige) sich zur Saddle, während die Anderen (Eliane, Amber und Kerstin) einen Tagesausflug durch den Nationalpark machen sollten.



Auch wenn er nicht physisch da war: in den Gedanken war er bei uns!







Diese Hütte sollte uns die kommenden Tage gemütlich warm halten.

Der Ausblick aus meinem "Bett"
Nach gut drei Stunden kommen wir also in unserer Ausgangshütte an, die phänomenale Wanderung durch die Bergregion raubt uns den Atem und als wir sehen, wo wir schlafen dürfen, steigt die Vorfreude auf die erste (sternenklare) Nacht! Mit einem Feuer heizt Ben mit meinem frisch gehackten Feuerholz die Hütte ein. Wir lassen es uns gut gehen, genießen den Blick und planen den kommenden Tag, die Ersteigung des Saddles. Dazu müssen wir ca 4 Stunden den "Pylon" erklimmen, dann durch ein Flusstal auf dem Berg hinüber zu dem Bergkamm klettern. Von dort aus soll man eine 360 Grad Sicht über wunderschöne Landschaften bekommen, die jeglicher Beschreibung entbehrt. Ben kennt diesen Weg schon, seine Goldsucherbemühungen haben ihn bereits dort hoch gebracht. Überhaupt ist er ziemlich im Bilde über die Region und die Bedingungen, er scheint das Goldsuchen ziemlich ernst zu betreiben, jedoch übertreibt er es manchmal mit seinen Erzählungen über das glitzernde Metall.

Dennoch, gespannt machen wir uns am nächsten Morgen gegen 8 Uhr auf und erklimmen bei schönstem Wetter den mehr als steilen Weg hinauf zum Pylon. Mit gutem Tempo kommen wir voran, doch immer wieder bleibt uns die Luft weg, wenn wir die atemberaubende Sicht ins Tal vor uns sehen.

















Doch nach und nach merken wir, dass das Wetter sich immer weiter verschlechtert. Trotz der guten Vorhersage ziehen Regenwolken auf. Wir erreichen die Spitze, haben das Glück, genau zehn Minuten lang wirklich klares Wetter und eine fantastische Aussicht genießen zu dürfen, als der extrem starke Wind die ersten Schneeflocken hinübertreibt. Diese zehn Minuten waren ein pures Glücksgefühl, wurde der schwere Anstieg doch mit einer phänomenalen Sicht belohnt.











Wir lassen uns vom aufkommenden schlechten Wetter aber nicht abschrecken und wollen das letzte Stück zur Saddle angehen, doch als wir im Tal ankommen, merken wir, wie risikoreich unser Vorhaben ist. Wir beschließen, das Tal noch zu erkunden, den Wasserfall dort zu bestaunen und dann umzukehren, wissen wir doch, dass wir noch ein paar Stunden Rückweg vor uns haben.













Der Abstieg stellt sich als echte Herausforderung dar. Ca. 3 Stunden brauchen wir, um uns durch teilweise knöchelhohen Schnee und steilen Felsen zu kämpfen, die wir mit Mühe erst erklommen, nun aber absteigen sollten. Erschöpft, durchgefroren und nass erreichen wir die Hütte. Diese war zum Glück schon warm, da ein weiterer Parkbesucher (Seth) ein Feuer gemacht hatte. Puhh. Wie schön es sein kann, in eine warme Hütte zu kommen, unbeschreiblich.

Der nächste Morgen war dann viel gemächlicher, Jane, Benedikt und ich mussten nur zurück zum Parkplatz, um von dort aus zurück zu trampen, denn das gemietete Auto wurde bereits von der anderen Gruppe zurückgebracht. Wir verabschiedeten uns vom goldigen Ben mit dem Gedanken, dass er eigentlich sein Gold schon gefunden hat. Er ist dort in dieser phänomenalen Hütte, trifft viele interessante Leute und darf sich diese Natur immer wieder vergegenwärtigen. Dies scheint mir viel mehr Wert als jeder Nugget, den man finden kann. Er scheint jedoch so fokusiert auf das rare Metall, dass er gar nicht merkt, wie um ihn herum alles leuchtet...

Auf dem Weg hinaus machten wir jedenfalls noch einen (wirklich fantastischen) dreistündigen Abstecher hinüber zum Rob-Roy-Gletscher, wo wir dann auch ein paar Leute getroffen haben, die uns mitnehmen sollten. Und wie es der Zufall wollte, habe ich dort jemanden aus Halle an der Saale getroffen, also aus dem Nachbarort meiner Heimatstadt. Welch Glück! Wir erzählten noch viel und hielten hie und da, um noch ein paar schöne Schnappschüsse zu machen.

























Als ich endlich wieder in Wanaka ankomme, geht gerade die Sonne unter und rundet diesen mehr als gelungenen Ausflug ab, von dem ich mich mit einer Flasche Kakao und gemütlichen Gesprächen auf der Couch erholen sollte.



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