Alles Gut(e)!

Es war ein heißer, schwüler Sommertag, irgendwann 1994, vielleicht '95. Der Teer von den Straßen war so warm, dass man das Flimmern der Hitze erkennen konnte. Es waren gerade Sommerferien und meine Freunde und ich beschlossen, ins Schwimmbad zu gehen um gemeinsam eine Intervention zu starten: Sonne, so kann das nicht weitergehen! Wir wollen Abkühlung! Gesagt getan, wir packten unsere Badesachen und wuselten ins nächstgelegene Stadtbad, was ungefähr drei Kilometer von zu Hause entfernt ist. Für meine jungen Jahre ein durchaus langer Marsch, aber für eine kleine Erfrischung nimmt man alles in Kauf.
Im Bad angekommen stellten wir fest, dass ungefähr drölfzig Millionen andere Kids auf die gleiche, unglaublich clevere Idee gekommen sind. Gut so! Noch mehr Leute, die der Sonne beweisen wollten, dass sie es mal wieder übertreibt. Die Bienen und Wespen surrten über die Wiesen und suchten nach Wassereisverpackungsresten, die sie wie immer mit saftigen Blumen verwechselten (oder vielleicht Eis bevorzugen an so einem heißen Tag: man weiß es nicht). Kleine Kinder rannten vor ihnen weg und sprangen ins Wasser, um dort den ewig gleichen bahnziehenden Rentnern die Route zu vermiesen. Herrlich! Was für ein schöner Tag. Ich verbrachte mit meinen Freunden dort gut 3-4 Stunden, planschte im Wasser, spielte mit den anderen Ball und schnabbulierte eine Tüte Pommes und dazu ein Eis, als mir die Sonne langsam zu heiß wurde und ich beschloss, nach Hause zu gehen um mich dort ein wenig zu erholen.
Als ich zurück zu meinem Handtuch und meiner Kleidung kam, musste ich erschrocken feststellen, dass meine Schuhe nicht mehr da waren. Ich suchte überall und war ganz aufgeregt, doch es nützt alles nichts: jemand hatte sie gestohlen.
Ich war traurig. Einerseits über die Tatsache, dass meine Eltern sauer sein würden darüber, dass ich keine Schuhe mehr habe. Aber noch viel mehr über die Tatsache, dass es Menschen gab, die anderen Leuten etwas wegnehmen, um ihnen einen Streich zu spielen. Vielleicht brauchte dieser Jemand ja ganz dringend Schuhe, aber warum nimmt er gerade zerschundene Schuhe aus einem Stadtbad von einem Kind an so einem sonnigen Tag? Mein Vertrauen in die Menschheit war tief erschüttert und ich beschloss, mich auf meinen Heimweg zu begeben. Barfuß. Auf heißem Teer.

Mit Tränen in den Augen begab ich mich vom Schwimmbad auf die Hauptstraße und versuchte, die brennenden Schmerzen an den Sohlen so gut es geht zu ertragen. Es raubte mir die Sinne und ich sah die unendlich langen drei Kilometer vor meinem geistigen Auge. Verzweiflung machte sich in mir breit und ich wußte nicht, was ich tun soll, ich würde definitiv nicht soweit laufen können. Ich blieb stehen und lies hoffnungslos meinen Kopf hängen, als ich auf einmal durch die schillernden Hitzewellen eine Silhouette erkenne. Es ist ein VW Jetta mit einem Menschen hinter dem Steuer, dessen Umrisse ich nur zu gut kannte: mein Vater. Wie aus dem Nichts kam er an, sah mich, stoppte und tröstete mich. Ohne sauer zu werden über die Schuhe. Ich war noch nie so glücklich.

Und das ist mein Vater. Er kommt immer im richtigen Moment. Weiß immer, was zu tun ist. Er hat immer aufbauende Worte und er lässt einen nie im Stich. Selbst in den schwierigsten Momenten des Lebens kehrt er dir nicht den Rücken zu sondern hält die Arme weit auf, ohne dabei auf sich zu achten. Solche Situationen wie im Schwimmbad gab es unzählig oft und selbst heute, wo ich hier in Neuseeland sitze gibt es Situationen, in denen ich mich auf ihn verlassen muss und, und das ist das Beste, auch kann. Ich kann in Worten nicht ausdrücken, was mir das bedeutet, aber ich glaube, dass muss ich auch nicht, schließlich weiß er es. Falls nicht, soll das hier immerhin einen Versuch darstellen.

Danke! Danke das du da bist. Wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe dann, dass ich nicht allein bin und nie sein werde. Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag und wünschte, ich könnte heute bei dir sein.



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