"Wo ist denn auf einmal die ganze Zeit geblieben?" Diese Frage musste ich mir als pupertierender Jugendlicher ziemlich oft stellen, nachdem ich mal wieder die halbe Nacht lang vor einem packenden Videospiel oder einem guten Buch gesessen habe. Schlagartig wird man in die Realität geworfen und die physikalischen Grundgesetze, beispielsweise die der Trägheit, beginnen, meinem Gehirn Wellen von Vorwürfen entgegenzuwerfen. Würde eine Katze oder ein Hund mich beobachten, würden ihr wohl allerhand philosophische Fragen einfallen: "Schläft dieses etwas da gerade?" "Ist die Seele im Urlaub?" "Woah, hat sich da gerade etwas bewegt? Ich dachte, dass ist ein Stein!" So oder in etwa müsste wohl der Zustand wahrgenommen werden, wenn man in diesem statischen Moment der Kontemplation ist. Dieses nachgehen einer Leidenschaft, dieses Verlangen des Geistes, immer weiterzumachen, bis man... ja was eigentlich? bis man vor Müdigkeit fast umfällt. Bis man das letzte Wort aus dem Buch gequätscht hat. Bis man den fiesesten aller fiesen Oberbosse besiegt hat und auch wirklich jede Ecke dieser fantastischen Welt durchstöbert hat. Und was für ein Glanz das hatte. Diese naive Faszination, fern jeglicher Reflexion, ein "hingezogen sein zu einer anderen Welt", dass ist es, was zumindest meine Leidenschaft als junger Mensch durchdrungen hat und stundenlang die Couch vor dem TV-Gerät meiner Oma in Beschlag genommen hat. (An dieser Stelle: DANKE Oma!!)

Aber wo ist das eigentlich hin? Wann war das letzte Mal, dass ich mich in diesem süßen Prickeln verloren habe? Wächst man da raus, weil man "erwachsen" wird (ein Begriff, den ich weiterhin nicht annehme, auch wenn er mich unmittelbar umgibt wie der Tod die nervende Mücke im Schlafzimmer)? Obwohl ich immer noch damit beschäftigt bin, das eine oder andere Videospiel zu spielen und weiterhin eine Vorliebe für fantastische Geschichten habe, gab es diese immersiven Momente so gut wie gar nicht mehr. Das letzte Mal, als ich mich "zu Hause" gefühlt habe, war bei dem Lesen eines Interviews von einem Musikkünstler, der sein Album beschrieben hat. Dass dieser Künstler nun ausgerechnet Japaner ist und mit seinem Album auch ein Buch von Murakami hätte beschreiben können mag Zufall sein, aber das ist tatsächlich die einzige Fantasie, die noch immer dieses mystisch magische Moment einer anderen Welt offen hält und anbietet. Vielleicht ist meine Vorstellung ja auch nur schon zu differenziert, aber mich macht es ein wenig traurig, dass ich mich nur noch eingeschränkt begeistern kann für all die tollen Gedanken, die andere Menschen darlegen. Vielleicht bin ich aber auch nur gesättigt von der immer gleichen Geschichte, von der immer gleichen Produktion nach einem Schema F. Vielleicht hat sich mein Kind in mir aber auch einfach nur verlaufen.

Diese Vorstellung gefällt mir aber irgendwie gut.

Kommentare

  1. Das erinnert mich daran, dass ich mich damals auch in den Geschichten der alten SNes-Spiele völlig verloren habe und das mittlerweile bei neueren Spielen kaum noch so empfinde. Daran, dass man es beim Älter werden verlernt, sich in Fantasiewelten zu verlieren oder in eine Art "Flow" zu geraten, möchte ich aber nicht glauben. :-)

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  2. Ach, dieser Flow. Neulich war mein Chef so begeistert, als wir beim gemeinsamen Rudern in so ein Flowgefühl kamen. Bzw. er mit mir. Für mich wars einfach nur Arbeit. Wahrscheinlich ist es eine Frage des Nachdenkens. Wieviel denkt man noch dabei? Ich empfinde das natürlich auch ständig, z.B. beim Basketball oder wenn einfach mal alles glatt läuft und man nicht nachdenkt. Man quasi alles seiner Fantasie überlest. Aber je älter man wird, desto seltener passiert das, oder? Das soll nicht heißen, dass es das nicht mehr gibt, aber irgendwie radieren sich soviele fantastische Momente im Geist selbst aus, weil man einfach weiß, wie die Sache ausgeht. Aber hey, eigentlich bin ich der Optimist! Ich möchte deine Aussage jedenfalls direkt unterschreiben und sie wie das gülden Fließ auf einen Sockel stellen ;)

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