Die letzten Tage
Da sind sie nun, die letzten paar Tage. Wie Wolken ziehen sie vorbei, fast unbemerkt, doch wenn man genau hinschaut, merkt man ihre Schönheit und beginnt breit zu grinsen.
Nachdem ich ein paar Tage in Picton verbracht habe um die verdammt spannenden NBA-Playofffinals zu schauen, jonglieren zu lernen und ein paar liebe neue Leute zu treffen sowie mir mein Essen stehlen zu lassen wurde es Zeit, die Südinsel hinter mir zu lassen, denn ein Schneesturm nahte heran. Dieser sollte der Schwerste der letzten 20 Jahre werden und die nächsten Fähren würden vorübergehend ausfallen. Kein gutes Omen also. Während der Playoffs lernte ich eine liebe amerikanische Familie kennen, die ich glatt auf der Überfahrt noch einmal treffen sollte. Der Vater, der in einer Paliativstation in Phoenix, Arizona arbeitet erzählt mir von seiner Arbeit und fragt mich über meine Reise aus. Wir verbringen gemeinsam die Überfahrt auf Deck und schauen den riesigen Wellen der rauen See zu, die vom herannahenden Sturm aufgewogen werden. Wir werden ein bisschen melancholisch, heißt es doch Abschied nehmen von der Südinsel, auf der ich so viel Zeit verbracht habe. Ein so kleines Fleckchen Erde birgt Unterkunft für so viele liebe Menschen, ein wahrer Schatz dieser Welt.
In Wellington angekommen treffe ich gleich den Tramper Matt, der wie ich weiter in den Norden reisen wollte. Matt und ich schließen uns zusammen und suchen eine Weile nach einem passenden Platz, leider ist das am Highway gar nicht ganz so einfach. Die Wolken werden dunkler und dunkler, der Regen zieht auf und es ist gegen 3 Uhr. Da ich mich mit Kelsi noch einmal treffen wollte um das Nationalteam Neuseelands beim Rugby zuzuschauen, wollte ich so schnell wie möglich nach New Plymouth kommen, denn dort sollten sie gegen Frankreich spielen. Doch das Wetter könnte dem ganzen einen Strich durch die Rechnung machen.
Nach circa einer Stunde warten am Straßenrand kommt dann aber doch endlich eine ältere Lady vorbei. Ihre Zigarette halb im Mundwinkel hängend lässt bereits erahnen, dass sie eine toughe Dame von stolzen 70 Jahren ist, die gerade nach 20 Jahren Kanada wieder zurück nach Neuseeland gekommen ist und all ihre Angestellten daheim dafür entlassen hat. Sie nimmt uns ein ganzes Stück mit nach Norden, wo sie ihre Farm gekauft hat, auf der sie Gemüse anbauen will. Sie zeigt uns einige wunderschöne Stellen während der Fahrt und wir stoppen hie und da um zu beobachten, wie die bedrohlichen Wolken in der Ferne das Meer aufpeitschen.
Matt und ich werden in einem kleinen Örtchen rausgelassen und versuchen, weiter in den Norden zu kommen, so lange es noch nicht dunkel ist. Nach ein paar Minuten hält dann auch schon glatt das nächste Auto und siehe da, wir werden von einem Hollywoodautoren und -produzenten mitgenommen. Was für ein Glück! Wir erzählen ein bisschen (Ok,ich frage ihn größtenteils aus ;) ) und offenbare ihm meine Leidenschaft für den Autoren Damon Lindelof und stellen dabei fest, dass unsere Mitfahrgelegenheit ihn sogar persönlich kennt. Seeeeeuuufz! Die Welt ist ein Dorf und Jeff, der Autor, freut sich über die liebe Konversation. Er setzt mich in einem Hostel in Palmerston North ab, wo ich die nächsten paar Tage verbringen werde, um den Sturm zu überwinden.
Das funktioniert auch ganz gut, das Hostel ist sehr gemütlich und ich treffe hier ein paar Maori, Deutsche, Franzosen und vor allem Kiwis, mit denen ich viele Konversationen über die EU, Verschwörungstheorien, Bipolarität und was nicht alles führe. Doch viel Zeit bleibt nicht, ich will ja weiter in den Norden, also beschließe ich nach drei Tagen weiterzureisen. Leider ist das Wetter immer noch fürchterlich, also lassen wir das mit den All Blacks-Rugby-Game. Wir beschließen, in das Surferparadies Raglan zu fahren, doch aufgrund des Wetters brauche ich insgesamt acht verschiedene Autos, um von Palermston North nach Hamilton zu kommen. Ich werde pitschnass und sehr kalt. Doch auch diesmal hatte ich viel Glück mit den Menschen. Rugbyspieler, zugewanderte Lehrer aus Fiji, ein Offizier mit seiner Familie, sogar ein Trucker und eine Maorilady mit einem unglaublich lieben Wuffelhund nehmen mich mit und ich beobachte, wie das Wetter besser und besser wird, je weiter ich in den Norden komme. Ich fahre entlang des riesigen Lake Taupo, sehe Schwefelschwaden im Sonnenuntergang leuchten, einen riesigen Mond und einen richtig klaren Sternenhimmel. Was für ein Land. Wehmut macht sich breit, doch noch habe ich fast zwei Wochen.
Nachdem ich Kelsi dann ENDLICH wiedergetroffen habe beschließen wir bevor es nach Raglan geht, Hamiltons Clubszene zu erkunden. Ein Fehler! Für mich war es ein absoluter Kulturschock. Nach 9 Monaten wandern und kleinen gemütlichen Hostels bin ich große Menschenmassen nicht wirklich gewohnt, laute (nicht so gute) Musik und viele halbnackte Menschen haben mich eher abgeschreckt und mich stark zweifeln lassen an meiner Reise zurück nach Deutschland. Das kann doch dort nur schlimmer werden.
Aber naja, ich bin wohl einfach nicht der Clubtyp, denn die nächsten paar Tage sollten viel besser werden. Wir finden jemanden im Hamiltonhostel, der auch nach Raglan möchte und so bekommen wir eine Mitfahrgelegenheit zur Westküste, an der alles viel gemütlicher ist. Liebe Cafés, großartige Strandabschnitte, ein Basketballkorb, ein fantastisches Hostel, ein Tennisplatz und verdammt coole Hostelbewohner versüßen uns die nächsten vier Tage! Und auch ein dramatischer Paddelunfall kann uns nicht stoppen. Denn Kelsi und ich haben uns ein paar Kayaks geschnappt, um entlang des Flusses der durch Raglan fließt zu paddeln. Dabei merke ich nach einer Weile, dass Wasser in mein Boot fließt. Ich versuche, an Land zu schwimmen doch nach und nach dringt immer mehr Wasser durch das Leck am Boden und 10 Meter vom Ufer entfernt sinkt mein Kayak komplett ab. Zum Glück war das Wasser recht warm, Kelsi lacht sich bei dem Anblick jedenfalls schlapp!
Wieder im Hostel angekommen erzählen wir die Geschichte und dabei lernen wir Chelsea kennen, eine amerikanische Lehrerin die zum Surfen für ein paar Wochen rübergekommen ist. Sie hat Anthropologie studiert und es entfachen sich spannende Diskussionen über Gendertheorien, Kultur, Epigenetik und und und während des fantastischen Sonnenuntergangs an der Westküste. Aufgrund der coolen Gespräche bietet sie uns dann auch an, uns zurück nach Auckland mitzunehmen, wo Kelsi und ich gemeinsam hin müssen, um meine letzte Woche dort in Kelsis Haus zu verbringen. Fantastisch!
In Auckland angekommen stellt Kelsi mir ihre Mitbewohner/innen vor: alles Filmemachende und Tanzbegabte in einem, die so viele spannende Geschichten zu erzählen haben. Hier werde ich die nächste Woche verbringen, tolle Filme sehen, großartige Performances auf den Bühnen Aucklands anschauen, tanzen gehen und ein paar tolle Konzerte erleben. Wir lernen in Handumdrehen unglaublich viele interessante Menschen kennen, die mir den Abschied nur noch viel schwerer machen. Aber es ist schön zu sehen, dass es einfach überall etwas zu entdecken gibt und das selbst Matt, der mittlerweile 41 und immer noch ein wirklich cooler filmemachender Tanzdude ist und extrem viel liest noch immer jung geblieben ist im Herzen. Wenn ich mit 41 immer noch so bin, bin ich definitiv zufrieden mit meinem Leben!
Unseren letzten Abend verbringen wir dann noch in einer fantastischen Tanzreihe namens "No Lights no Lycra", einer tollen Idee, in der man in einem gemeinsamen Saal mit ca 30 Leuten zu unterschiedlichster Musik tanzt. Im Dunkeln. Ganz mein Geschmack. Im Umhang der Dunkelheit lasse ich mich gaenzlich gehen und die letzten neun Monate noch einmal Review passieren. Ich bin gluecklich.
Was für ein Ritt.
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