most favorite music 2015

Listen Listen Listen... Das kann schonmal nerven. Aber eine persönliche Liste hat auch den Vorteil noch einmal abzutauchen in die mannigfaltige Musiklandschaft. Oft weiß man nur noch vage, was einen total beeindruckt hat oder bekommt erst so mit, was man  verpasst hat. Bei den Recherchen trifft man nicht selten auf Künstlerinnen und Künstler, die man gar nicht auf dem Schirm hatte, oder erinnert sich dran, dass z.B. Beach House nicht nur eine (fabelhafte) Platte rausgehauen hat, sondern gleich zwei! So oder so eine lohnenswerte Expedition, die mich auch in 2-3 Jahren noch einmal daran erinnert, was mich gefangen genommen hat. Gerne schaue ich mir die letzten Jahre noch einmal an und schwelge zu den Momenten, die ich mit den Songs oder Alben verbinde, wandere durch Erinnerungen und lasse mich darin treiben. Sie stellen ein fragmentarisches Tagebuch dar, ein Quilt der Erinnerungsfetzen, mit denen man sich besonders gemütlich über die triste Winterzeit retten kann. Daher fange ich jetzt einmal vorsichtig damit an, die losen Teile zusammenzuflicken und öffne sie all jenen, die Lust darauf haben, daran teil zu haben. Wie immer gilt: es werden zwar größtenteils Sachen nach dem Erscheinungsjahr 2015 thematisiert, aber manchmal schleichen sich auch Tracks oder Alben ein, die viel älter sind, aber erst in diesem Jahr von mir erkundet wurden. Seht es mir bitte nach. 

best albums



Shlohmo - Dark Red





Schon im April ging das Jahr mit einem riesigen Paukenschlag los. Das neue Album von mastermind Shlohmo hat das Licht der Welt erblickt und mit den schrägen, schwermütigen, experimentellen Melodien gleich wieder ein bisschen verdüstert. Denn die Atmosphäre des gesamten Albums atmet die Dunkelheit, fokussiert sich auf das andere Ende des Spektrums unserer Emotionen, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Statt dessen öffnen sich viele ungeahnte Emotionen, die vielfältigen Schattierungen der Melancholie finden eine neue Ausdrucksform, mit der man sich erst einmal anfreunden muss, sie aber später extrem zu schätzen lernt. Sie schaffen es, sich in der Dunkelheit mit einem zuversichtlichen Lächeln zurecht zu finden, denn man weiß jetzt, die verschiedenen Stufen von Schwarz besser einzuordnen, wie ein Inuit den Schnee. Und man ist nicht allein. Es gibt noch andere, die durch diese Gefühlswelt mäandern und zu sich finden, und häufig ist dieser Weg gemeinsam einfacher als ihn allein bestreiten zu lassen. Shlohmo skizziert dafür eine Landkarte und reicht die Hand.

Grimes - Art Angel





Mit Grimes springe ich direkt ans andere Ende des Spektrums (und des Jahres). Für mich repräsentiert Grimes mit Art Angel wohl den absoluten Höhepunkt für 2015. Claire Bouchez beherrscht wie keine Andere die Fähigkeit, zwischen Pop, Techno und Balladen umherzutänzeln und schafft es trotz des quietschbunten Auftretens (man schaue sich nur das verlinkte Musikvideo zu Flesh without Blood an ) irgendwie glaubwürdig zu wirken. Sie etabliert somit beinahe ein eigenes Genre, emanzipierte Popmusik mit Attitüde, die trotz dieser Vielfalt an Einflüssen eine eigene Handschrift etabliert. Man möchte noch ewig über das Album schreiben, aber es bietet sich an, die Scheibe auf Dauerrotation spielen zu lassen und für sich selbst zu entdecken, warum Grimes einfach auf so vielen Ebenen besticht.


Hiatus - Parklands




Ein seltsames Album (das auch schon recht alt ist), auf das ich überhaupt erst aufgrund von Shura (vgl. notable tracks) gestoßen bin. Hiatus entfaltet Traumlandschaften und läd sich allerhand unterschiedliche Menschen ein, allen voran besagte russisch-amerikanische Popsängerin Shura. Geprägt von einer fast schwülztigen Melancholie und esotherisch angehauchten Klängen wackelt Hiatus auf einem schmalen Grat und fällt doch nie runter. Er vermeidet somit, ins Nervige abzudriften und zeichnet statt dessen ein hervorragendes Album zum entspannen und sich treiben lassen. Das ist eines dieser trippigen Alben für den Sonntag morgen.


Jon Hopkins - Immunity (LP) / Asleep Versions (EP)




Zugegeben, jetzt schummele ich etwas, denn Jon Hopkins phänomenales Album Immunity kam bereits letztes Jahr heraus. Dennoch hat es mich das ganze Jahr über begleitet und in Zusammenhang mit den „Fortführungen“ der Asleep Versions (2014), die sich einige der Tracks des Albums annehmen und in entschleunigte Tagtraummelodien verwandeln, entfaltet dieses Album so viel Kraft und Tiefgründigkeit. Hopkins schafft es, technoartige Songs mit tiefenentspannten Engelsgesängen zu verweben und entfaltet so die Seele elektronischer Musik, die sich mit einem Brennglas in die Strukturen des feingewebten Teppich der Erinnerungen einbrennt. Wenn ich könnte, würde ich den gleichnamigen Song zum Album "Immunity" in jede Playlist packen die ich erstellt habe, denn dieser Song rundet einfach jede emotionale Landschaft ab!

Kiasmos - Kiasmos





Streicher meets Synthi. Piano und Beats. Zwei Gegensätzlichkeiten in einem Satz. Das meint ein Chiasmus. Die Musik von Olafur Arnalds und Janus Rasmussen greift das ganz wunderbar auf. Sie entführt mit ihren beatlastigen Elektrospuren und sanften Streichern in eine texturierte Landschaft voller Lagerfeuer unter freiem Sternenhimmel, eisigen Wüsten und schweigenden Liebesbeziehungen voller Leidenschaft. 
Ich hatte das Glück, die beiden im Watergate live zu erleben und konnte ein Meer an lächelnden Gesichtern sehen, die alle gerade in einem ganz privaten Kino ihren Träumen nachgingen. Famoses erstes Album dieser bereits seit fünf Jahren bestehenden "Band".



Kiesza - Sound of a Woman




Mit Hideway hat sie die Erwartungen unglaublich hoch gesetzt. Eine Stimme die das Innerste zum Schmelzen bringt und 80er Synthies, die alte Zeiten heraufbeschwören und so unglaublich vertraut klingen und doch erfrischend gut tun. Das Album führt das, zumindest abgeschwächt, fort. Die Hüften können gar nicht aufhören, rhythmisch zu wackeln, es sei denn die mellow beats setzen ein und lassen einen Platz nehmen, um dem „sound“ einer Frau zu lauschen. Sehr schönes tanzbares Album, ein Kontrast zu den eher ruhigen Sachen die mich dieses Jahr bewegt haben. Irgendwie steht dieses Album auch in Tradition einer Moloko, auch wenn ich es schlecht begründen kann.


Labyrinth Ear - The Orchid Room




Der Zuhörer irrt durch einen Zauberwald mit all seinen dunklen und geheimen Plätzen, entdeckt die Nähe von Schönheit und verstörenden Schauspielen, tragischen Fehlbildungen und anderen Miasmen der Nacht. Der Wald ist von Feenzauber bedeckt wie von einem schützenden Deckmantel, der seine Entfremdung nicht preis geben möchte und somit ewig dazu verbannt ist, seine Schönheit zu unterdrücken und nicht anerkennen zu lassen.

Movement - Movement (ep)





Menschliche Berührungen im Kerzenschein. Intime Nähe beim gegenseitigen Kennenlernen. Die Erkundung des Anderen mit allen Sinnen. Der perfekte Soundtrack für die knisternden zwischenmenschlichen Spannungen, die keiner Worte benötigen.



Noveller - No Dreams




Auch dieses Album erschien bereits letztes Jahr, dennoch habe ich es erst dieses Jahr entdeckt und habe mich davon fangen lassen. Wenn man ein schwarzes Loch vertonen würde, würde es wohl so klingen. Die Träume werden aufgesogen in diese dunkle Kugel, aufs äußerste komprimiert, begleitet von einem Beben und wieder herausberstend in Milliarden Partikel. Wenn Interstellar nicht schon so einen gelungenen Soundtrack gehabt hätte, wäre es wohl dieses Album geworden.


Sylvan Esso - Sylvan Esso





Synthie Pop. In einer Welt, in der so viel nur noch kopiert und resampled wird und sich Innovation kaum noch bewegt, hat man manchmal das Gefühl, sich den bestehenden Strukturen ergeben zu müssen. Wenn schon ergeben, dann aber Sylvan Esso, die dem Genre unglaublich viel Charisma und Seele einhauchen.



Notable Tracks



Shura - Touch





Mit Touch hat sie wohl den Track des Jahres für mich heraus gebracht.Das Album braucht noch ein paar Monate, aber was in diesem Song an Intimität geschaffen wird, ist mehr als manche in einem ganzen Album zu erzielen versuchen. Die Stimme von Shura hat mich jedenfalls komplett in ihren Bann gezogen. Einen kleinen Vorgeschmack zu dem, was noch kommt kann man übrigens hier erhören: http://www.bbc.co.uk/programmes/b04sn8t9


Four Tet - Parallel Jalebi (HudMo-Remix)





Four Tet hat zwar dieses Jahr kein Album rausgebracht, dafür aber eine ganze Reihe an tollen Tracks, Remixes und mixes. Und er wurde gemixed.
Dieser Hudson Mohawke hat nicht nur meine Möbel zum Wackeln gebracht sondern auch meine verstaubten Knochen entkalkt. Schön laut aufdrehen!


Four Tet ist wahrscheinlich der Musiker, der mir am längsten zur Seite steht seitdem ich Musik höre. Er wandelt sich ständig und bleibt sich doch irgendwie treu, es scheint, als hätte er einen direkten Draht zu dem, was mich bewegt und setzt dem Ganzen irgendwie einen drauf. Es ist der perfekte Spagat zwischen Melancholie und ausgelassenem Tanzen und feiern. Daher war das auch unter den Top 5 Live-Events in diesem Jahr.



Interstellar - Docking





Wenn man im Kino sitzt und dieses Theme auf einen einprasselt, möchte man aufspringen und die Leinwand umarmen. Ein Höhepunkt der Filmgeschichte und einer der spannendsten und mitreissendsten Momente der letzten Jahre.



Shlohmo - Emerged from smoke




Shlohmo: um ihn ist es ja etwas ruhig geworden dieses Jahr. Es gab zwar den Release um Jeremih, der irgendwie cool war aber auch irgendwie nicht. Aber aufgrund einer ausgelassenen Livetour ( endlich durfte ich ihn mal in Berlin sehen, yes!) ist das auch zu verzeihen. Nun, pünktlich zu meiner Liste, hat er einen neuen Track veröffentlicht, den ich niemandem vorenthalten möchte und der mich schon gespannt auf das kommende Jahr blicken lässt. Can. not. wait!



Verity Susman - To make you afraid




Electrelane machen Pause. Vielleicht gibt es sie auch gar nicht mehr. Aber wenn dem so sein sollte, macht zumindest Verity Susman das Beste drauß. Dieser Track hat mich jedenfalls das ganze Frühjahr über permanent begleitet und die Grenzen der Stereoanlage ausgereizt. Famos.

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