Ein Universum voller Ratschläge - Die Klimakrise in mir



Es treibt mich um. Die ganze Zeit. Seit nun ca. 6 Jahren setze ich mich dafür ein, für die klimatischen Veränderungen dieser Welt zu sensibilisieren und Wege aufzuzeigen, wie man seinen Lebensstil möglichst nachhaltig gestalten kann. Ich habe mich schon lange davor mit der Klimakrise auseinandergesetzt, aber erst mit der Arbeit habe ich die Möglichkeit gefunden, mein Interesse in konkrete Bahnen zu gießen und diese auszuleben. Von Tagungen für Kids über Diskussionen im Alltag hin zu Projekten im Jugendzentrum und dem Vernetzen und Sichtbarmachen von wichtigen und guten Strukturen probiere ich, so viel ich kann. Und doch lebe ich in Widersprüchen: ich habe ein Auto, eine eigene Wohnung mit viel Platz für mich, ich hatte das Privileg nach Neuseeland zu reisen und meinen ökologischen Fußabdruck unglaublich vergrößert, ich bin technikaffin usw. Auch wenn ich Ökostrom beziehe und mein Auto eher stehen lasse und ich mein Rad bemühe: es bleibt ein fader Beigeschmack. Das alles ist irgendwie nicht genug.

Ich laufe durch die Welt mit einem Kopf voller Weltuntergangsszenarien, voller Wissen über alternatives Handeln und konstruktiven Gesellschaftstheorien, über Klimaschutz und Klimafakten. Und doch bin ich nicht in der Lage, etwas zu bewirken, dieses Wissen angemessen weiterzutragen, in den Alltag meiner Mitmenschen einfließen zu lassen oder es kohärent zu formulieren. Der Alltag ist in seinen Routinen so dicht strukturiert und lässt so wenig Raum, das eigene Verhalten zu reflektieren oder auszuprobieren, sich zu ändern, während Änderungsvorschläge gegenüber FreundInnen, Bekannten und KollegInnen entweder als Belehrungsvorschläge oder als Schreckensszenario wahrgenommen werden. Wie geht man damit um? Wie kann man dieses Wissen, welches ich mir in diesen 6 Jahren angeeignet habe und welches mich so massiv verändert und mein Dasein neu geformt und gestaltet hat, vermitteln, ohne den Moralapostel zu mimen? Es einfach sein lassen ist keine Option, dazu ist die Situation zu ernst. Ich sehe unsere Welt auf einen Abgrund zurasen und an allen Ecken und Enden sieht man Anhaltspunkte dafür. Neben der Hitze liegen überall tote Vögel, die Felder beginnen zu brennen, die Wälder sind voll vertrockneter Bäume und so weiter. Ich habe mir in den letzten 6 Jahren eine Weltsicht und Perspektive geschmiedet, die mich jedes Flugzeug, jedes Auto, jeden Supermarkt und jede Technologie mit einem faden Beigeschmack betrachten lässt. Luxus, der mich und uns so sehr umschmeichelt und so viele Chancen bietet, aber so verheerende Folgen hat.

Manchmal, mittlerweile sogar immer öfter, wache ich schweißgebadet nachts auf und reflektiere darüber, wie es wohl ist, wenn das Klima kippt. Wenn ich all meine Dinge zurücklassen muss, wenn unsere Gesellschaft beginnt, Gewalt gegenüber jenen auszuüben, die aufgrund der Veränderungen und des Mangels fliehen müssen. Wenn Verteilungskriege beginnen, wenn man nicht mehr rausgehen kann ohne Angst zu haben, dass man vielleicht einfach umfällt. Wenn immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben und die Lebensgrundlagen immer knapper werden. Die, die die Mittel haben, werden einfach dorthin gehen, wo es noch lebenswert ist, aber was ist mit den anderen, die sich das nicht leisten können? In meinem Kopf entstehen neue Szenarien der Ungerechtigkeit (als gäbe es davon nicht schon genug) und in meiner Pädagogenrolle verspüre ich den Drang, etwas daran zu ändern. Und dann wird mir klar: ich bin größenwahnsinnig. Was soll ICH schon tun? Auch wenn ich in meinem Leben schon mehrere tausend Jugendliche erreicht und geprägt habe, werden diese nur einen marginalen Unterschied machen. Mir reicht das alles nicht, gleichzeitig bin ich gefangen in dieser Welt voller Routinen, in diesem winzigen Körper mit einem Universum voller Ratschläge die nie an die Oberfläche drängen werden und einem Verantwortungsgefühl gegenüber kommender Generationen, welches mich lähmt.

Es ist ein Trauerspiel. Ich befinde mich in einem Wechselbad der Gefühle: zwischen Panikattacken und Euphorie, wenn ich dann doch etwas erreicht habe. Gerade erst bin ich, mal wieder, von einem einwöchigen Camp unabhängig vom Thema Umwelt wiedergekommen: ich habe mit über 20 Kids intensive Gespräche geführt, wichtige Persönlichkeitsentwicklungen begleitet und für unendlich viele kleine persönliche Erfolge gesorgt. Neben totaler Erschöpfung zeichnet mich das Gefühl, wieder etwas erreicht zu haben. Und doch fühle ich mich unbefriedigt: welchen Sinn hat das alles? Wie soll das den Menschen helfen? Wieso diskutieren wir nicht über die Zukunft und was wir für das Klima tun können? Muss es nur noch um dieses Thema gehen? Wie der oder die LeserIn spätestens jetzt feststellen wird, sind das so viele Fragen die immer wieder über das gleiche Thema kreisen und nerven und langweilen: Was kann ICH tun? Tue ICH genug? Ich habe darauf keine Antwort, außer: dass sich noch viel mehr Menschen genau diese Frage stellen sollten. Nur dann kann sich etwas verändern. Vielleicht muss ich genau diese Fragen möglichst vielen Menschen stellen, auch wenn es manchmal unbequem wird. Was tust du? Wenn wir uns dieser Frage jetzt nicht stellen und die prognostizierten Szenarien von so vielen WissenschaftlerInnen zu unserer Zukunft stimmen, werden wir uns sonst in 20 Jahren der Frage stellen müssen : Was habe ich eigentlich getan?


Links zu: Was man tun kann...

https://utopia.de/galerien/klimaschutz-tipps/#1

https://utopia.de/ratgeber/was-beliebte-produkte-anrichten/

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/klima-und-luft/klimawandel/06740.html

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